Sailing Academy
Strategie und Taktik
Ein taktischer Fehler kann einen Staatsmeistertitel kosten
(Analyse von Peter Czajka)
Segeln ist eine der komplexesten Sportarten. Strategie, Taktik, Bootshandling, Trimm sind nur einige der Skills, die für ein erfolgreiches Abschneiden auf der Regattabahn erforderlich sind. Das Team, das in diesem komplexen Umfeld die wenigsten Fehler macht, gewinnt.
Am folgenden Beispiel wird anhand der One Design Hochseestaatsmeisterschaften 2023 aufgezeigt, wie ein Fehler dem Candidate Team von Dieter Schneider den Sieg kostete.
Die Afterguard des Teams war bei dieser Regatta mit Steuermann Kletzi, Taktiker Wolfgang Mayrhofer und Luis Gazzari bestens besetzt. Auch der Rest der Mannschaft bestand aus durchwegs hochkarätigen Seglern. 3 Segler des BYC waren in wichtigen Positionen an Bord. Nach der Papierform war das Team des Vorjahressiegers Top-Favorit dieser Veranstaltung. Auch die anderen Boote waren mit diversen Olympiaseglern und Nationalteammitgliedern stark besetzt, aber kein anderes Team, hatte durchgehend hochkarätige Segler auf allen Positionen.
Ausgangsposition nach Tag 2
In den ersten beiden Tagen konnten nur 3 Wettfahrten gesegelt werden. Es stand nur mehr ein Wettfahrttag am Programm.
Mit zwei zweiten und einem ersten Platz führte das Candidate Sailing Team die Liste mit 5 Punkten Vorsprung. Dritter waren die späteren Sieger mit 9 Punkten Rückstand. Das ebenfalls hoch eingeschätzte Team um Christian Binder vom YCBb war nach unverschuldeten Materialproblemen am zweiten Tag bereits aus dem Rennen.
In obiger Liste die Ausgangsposition nach Tag 2.
Da ab Wettfahrt 4 in den NOR ein Streichresultat vorgesehen war, muss man allerdings das Zwischenergebnis nach 3 Wettfahrten mit Streichresultat heranziehen:
1. Candidate Sailing (3 Pkt / Streichresultat 2 Pkt)
2. SCK (4Pkt / Streichresultat 10 Pkt)
3. UYCAs (5 Pkt / Streichresultat 5 Pkt)
4. YCBb (7 Pkt / Streichresultat 10 Pkt)
Auf Grund der Wetterlage war zu erwarten, dass sich am letzten Wettkampftag maximal 2 Wettfahrten ausgehen werden. Damit ergeben sich folgende unterschiedlichen Szenarien für die strategische Planung.
Szenario 1: Nur mehr eine Wettfahrt kann gesegelt werden
Team Candidate Max. Punkteanzahl 5
Team SCK Min. Punkteanzahl bei einem Sieg 5 aber Gesamtsieg wegen 2 ersten Plätzen.
Alle anderen Team haben auch theoretisch keine Chance vor Team Candidate zu landen.
Szenario 2: 2 Wettfahrten am letzten Tag:
Falls am letzten Tag noch zwei Wettfahrten gesegelt werden können, ist die Strategie für den letzten Tag etwas komplizierter. Unter der vorsichtigen Annahme, dass Team Candidate zumindest eine der beiden ausstehenden Wettfahrten unter den ersten drei beendet, hätte Candidate Max. 8 Punkte am Konto. Damit haben nur das Team vom UYCAs und vom SCK noch theoretische Siegchancen. Der UYCAs müsste beide abschließende Wettfahrten gewinnen oder einmal erster und einmal Zweiter werden. Ein sehr unwahrscheinliches Scenario angesichts der bisherigen Ergebnisse. Der SCK könnte ebenfalls nur mit zwei Siegen oder Platz 1 und 2 die Serie noch gewinnen.
Strategieüberlegungen des Teams Candidate für Wettfahrt 5
Da Candidate mit einem zweiten Platz als Streicher und SCK 10 Punkte als Streichresultat auf dem Konto hat, muss man versuchen sich vor dem SCK zu positionieren, unabhängig vom eigenen Ergebnis. Damit wäre unabhängig vom eigenen Ergebnis einmal der SCK ausgeschalten, da er auch bei einem Sieg in einer eventuellen Wettfahrt 5 sich nicht mehr vor Candidate platzieren könnte.
Falls keine fünfte Wettfahrt mehr zu Stande käme, wäre der Sieg für Candidate damit gesichert, auch wenn UYCAs die 4. Wettfahrt gewinnen sollte (UYCAS 3,5,1, Candidate (2,2,1).
Falls der UYCAs die Wettfahrt 4 gewinnen sollte und es kommt eine Wettfahrt 5 zu Stande müsste man die Situation nach Wettfahrt 4 neu bewerten.
Das Ziel für Wettfahrt 4 muss nach diesen Überlegungen und Berechnungen sein, sich in Wettfahrt 4 vor dem Team vom SCK zu positionieren, unabhängig vom eigenen Wettfahrtergebnis.
Candidate Boot orange
SCK Boot braun
Auf dem Tracking kann man klar erkennen, dass Candidate den Start gegen SCK gewinnt und sich sicher vor ihm platzieren kann.
Dann passiert der alles entscheidende Fehler:
In Minute 10 wendet SCK auf Backbordschlag und segelt nach rechts. Das Feld bleibt weiterhin auf Steuerbordschlag auf der linken Bahnseite.
Auch Candidate segelt auf Steuerbordschlag weiter und kümmert sich nicht um das Boot vom SCK, eventuell um die Kontrolle über das andere Feld nicht zu verlieren. Das andere Feld ist aber für die Entscheidung völlig bedeutungslos.


Candidate orange
SCK braun
Auf der rechten Bahnseite segelt SCK unbehelligt seine eigene Bahn, hat entweder mehr Wind oder einen kleinen Winddreher und ist erstes Boot an der Luvbahnmarke. Candidate rundet die Luvbahnmarke als drittes Boot. Bei diesem Zieleinlauf wäre SCK punktegleich Staatsmeister. Ein Versuch am Vorwindkurs durch einen Schlag nach Links noch eine Position aufzuholen scheitert. Der SCK übernahm punktegleich die Führung im Gesamtklassement.
Was kann man daraus lernen?
Sei dir nie zu sicher. Entwickle deine eigene Strategie vor jedem neuen Regattatag. Lege Wahrscheinlichkeiten fest und rechne so weit möglich alle Optionen vor dem Wettfahrten durch, um dann in der Wettfahrt auf deine strategischen Überlegungen zurückgreifen zu können.
Link zum Tracking der 4. Wettfahrt